2008 erschien das Buch Nudge von Richard Thaler und Cass Sunstein. Richard Thaler erhielt den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, beide waren Berater des amerikanischen Präsidenten Obama.
Nudge ist ein englischer Begriff und bedeutet so viel wie „ein Schubs in die richtige Richtung“. Thaler und Sunstein beschreiben in ihrem Buch, wie man Menschen mit kleinen Schubsern und ohne jeglichen Zwang helfen kann, öfter eine bessere Entscheidung zu treffen. Ihrer Ansicht nach ist das auch eine Aufgabe der Regierung. Letzteres wird schnell als Bevormundung oder unerwünschte Einmischung empfunden. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Regierung nicht umhinkommt, Entscheidungen zu treffen. Keine Entscheidung zu treffen, ist schließlich auch eine Entscheidung. Dann solle man besser tun, was den Menschen tatsächlich zuträglich ist. Und bei alldem den Menschen die völlige Freiheit lassen, davon abzuweichen. Dieses Gestalten von bestimmten Bedingungen, unter denen Menschen ihre Entscheidung treffen, etwa seitens der Regierung, nennen Thaler und Sunstein „Entscheidungsarchitektur“.
Als Beispiel dafür berichten sie in der Einleitung des Buches von einer Frau namens Carolyn, die für die Lebensmittelversorgung einer Gruppe von Schulen mit hunderttausenden von Kindern verantwortlich ist und daher mitbestimmt, was dort auf den Teller kommt. Allein die Art und Weise, wie das Essen in der Schulkantine platziert wird, beeinflusst, was die Kinder essen. Sollen die süßen Desserts vorne oder hinten stehen, stellt man sie vor oder hinter das Obst? Oder stehen sie in einem ganz anderen Bereich? Stehen die Pommes frites auf Augenhöhe? Oder nicht doch das Gemüse? All diese Optionen können eine gesunde Entscheidung positiv oder negativ beeinflussen. Schon allein die Tatsache, dass Carolyn bestimmt, wie das Angebot präsentiert wird, aus dem die Kinder auswählen, macht sie zu einer Entscheidungsarchitektin. Ohne dass sie die Kinder damit zwingt, das eine oder das andere zu essen. Ein weiteres Beispiel für einen Entscheidungsarchitekten, das wir in unserem Buch erwähnen, ist Aad Kieboom, der die Abbildungen von Kriebelmücken in den Urinalen des Flughafens Schiphol entworfen hat. Allein aufgrund dieses Bildes zielen die Männer, die im Stehen pinkeln, besser als in den standardmäßigen Pissoirs. Und so lustig dieses Beispiel auch ist, von Zwang kann auch hier keine Rede sein.
“Die Idee hinter Nudging ist, dass man ohne Zwang und in völliger Freiheit öfter eine wünschenswerte Entscheidung trifft”
Entscheidungsarchitekten und Entscheidungsarchitektur gibt es in vielen verschiedenen Ausprägungen und Berufen. Wir haben auch öfter mit ihnen zu tun, als uns vielleicht bewusst ist. Der Arzt, der verschiedene Behandlungsoptionen zur Wahl stellt, ist zum Beispiel ein Entscheidungsarchitekt, aber auch die Leute, die die Standardeinstellungen in unserem Telefon festlegen. Sie beeinflussen, wie wir unsere eigenen Entscheidungen treffen. Dabei hoffen wir natürlich, dass sie ihren Einfluss auf einer für uns positive Weise nutzen. Für unsere Gesundheit, unsere Finanzen oder für unseren Bedienungskomfort.
Menschen treffen von sich aus nicht immer die Entscheidungen, die gut für sie sind. Der gesunde Menschenverstand lässt uns in solchen Momenten gelegentlich im Stich. Das kann auf Bequemlichkeit oder mangelnde Informationen zurückzuführen sein. Diese Bequemlichkeit kann man sich auch gut zunutze machen, beispielsweise durch sinnvolle Standardeinstellungen, bei denen sich die Menschen nicht die Mühe machen, sie zu ändern. Die Idee hinter dem Nudging ist, dass Menschen häufiger eine gute Entscheidung treffen. Die Entscheidung nämlich, die sie treffen würden, wenn sie gute Informationen, gutes Wissen und eine gute Selbstbeherrschung hätten. Und all das mit völliger Freiheit, sich auch anders zu entscheiden.
Nudge yourself
Das Tolle daran ist, dass man sich auch selbst nudgen kann. Du kannst es dir selbst leichter machen, bestimmte gute Entscheidungen zu treffen. Und dir weniger wünschenswerte Entscheidungen ein bisschen schwerer machen. Selbst zu kochen, ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber es kommt natürlich auch ein wenig darauf an, woraus sich deine Mahlzeiten zusammensetzen. Geh also zu deinem Kühl- und Gefrierschrank. Schaue einmal nach, was darin alles enthalten ist. Überlege dir nun, welche dieser Lebensmittel dort besser nicht zu finden sein sollten. Iss sie auf oder verschenke sie, aber kaufe sie jedenfalls vorläufig nicht mehr nach. Wenn du auf diese Produkte jetzt partout verzichten kannst, dann räume sie wenigstens ganz nach hinten, wo sie dir nicht ständig ins Auge fallen. Stelle stattdessen alle Lebensmittel nach vorne, die du sinnvollerweise regelmäßig essen möchtest.
Und wenn du mit dem Kühl- und Gefrierschrank fertig bist, dann nimmst dir den Vorratsschrank vor …
Sehr kurz zusammengefasst, läuft diese Übung darauf hinaus: „Was man nicht im Haus hat, kann man auch nicht essen“. Auch hierbei gilt, dass es dir natürlich völlig freisteht, es zu tun oder zu lassen.