Lerne den Hypothalamus kennen, den Hamster in deinem Gehirn. Eine winzige Hirnbereich, von der Größe eines Zuckerwürfels. Sein Umfang mag klein sein – er umfasst weniger als ein Prozent des gesamten Hirnvolumens –, aber er verfügt über eine enorme Kraft.
Der Hypothalamus ist im Hinblick auf seinen Ursprung ein „altes“ Hirnareal, das nicht nur bei allen Säugetieren, sondern in einer Urform beispielsweise auch bei Würmern vorkommt. Beim Menschen spielt er nicht nur für das Überleben des Einzelnen eine wichtige Rolle, sondern auch für das Überleben der Menschheit als Ganzes. Er ist unter anderen daran beteiligt, die Körpertemperatur, die Atmung, den Herzschlag, die Fortpflanzung und das Hunger- und Durstgefühl zu regulieren. Diese Prozesse sind automatisiert und laufen oft außerhalb unseres eigenen Bewusstseins ab. Sie vollziehen sich einfach. Außerdem gibt es im Hypothalamus ein Teilgebiet, das wir als unsere biologische Uhr kennen.
Der Hypothalamus trägt wesentlich dazu bei, den Körper vor größeren Schwankungen zu bewahren. Als System mag es der Körper nämlich nicht, sich schnell zu verändern. Auch der Hypothalamus mag keine großen Veränderungen. So ist er beispielsweise darauf ausgerichtet, die Körpertemperatur konstant zu halten. Sie wird in einer normalen Situation immer innerhalb eines abgegrenzten Spektrums liegen. Um das Körpergewicht aufrechtzuerhalten, achtet der Hypothalamus vor allem darauf, schnelles Abnehmen zu verhindern oder auszugleichen.
Das passt zu seiner Funktion in Urzeiten, als sich die Menschen viel stärker dem Risiko von Nahrungsmangel als einem Überfluss an Essen ausgesetzt sahen. Vor diesem Hintergrund betrachtet, war es lebenswichtig, immer nach einer positiven Energiebilanz zu streben, nach einer Situation also, in der beständig mehr Nahrung aufgenommen als verbraucht wird. Diese zusätzliche Nahrung konnte dann wieder als Fettspeicher für magerere Zeiten eingelagert werden.
Unsere frühzeitlichen Vorfahren konnten nur auf zwei Arten an Zucker kommen; durch den Verzehr von Obst oder von Honig. Heute fällt es uns überhaupt nicht schwer, an kalorienreiche oder zuckerreiche Lebensmittel heranzukommen. Im Gegenteil, sie liegen überall in Reichweite, und wir können ihnen kaum entkommen. Das Problem ist jedoch, dass der Hypothalamus nichts von Supermärkten und all den anderen Möglichkeiten in unserer Umgebung, um an Nahrungsmittel heranzukommen, weiß. Was das angeht, lässt er sich auch nicht trainieren oder erziehen Nicht wir Menschen oder unser Gehirn haben uns plötzlich verändert, sondern unsere Umgebung hat sich schneller verändert, als wir Schritt halten können.
Der Hypothalamus ist also noch immer auf den früher so wichtigen Energieüberschuss gepolt und betrachtet schnelles Abnehmen als eine große Bedrohung. Eine wirkliche Bremse, die uns daran hindern würde, zu viel Nahrung zu uns zu nehmen, gibt es für ihn eigentlich nicht. Eine Bremswirkung geht, nur für kurze Zeit, von einem Völlegefühl aus, wenn der Magen stark gedehnt ist. Oder die Bremswirkung geht von unserem gesunden Menschenverstand (der im präfrontalen Kortex angesiedelt ist, darüber hier mehr) aus, wenn uns bewusst wird, was wir alles gegessen haben. Doch im Hypothalamus selbst gibt es keinen Schutz vor einer langfristigen übermäßigen Nahrungsaufnahme.
Wenn der Hypothalamus einen Energie-, Nahrungs- oder Fettmangel wahrnimmt, wird er reagieren. Er wird die Körperfunktionen dann so regulieren, dass der Körper einerseits weniger Energie verbraucht und andererseits mehr Energie aufnimmt. Den Verbrauch reduziert er, indem er unter anderem den Ruhestoffwechsel absenkt. Der Ruhestoffwechsel ist die Energie, die dein Körper für alle laufenden Prozesse benötigt: den Herzschlag, die Atmung, aber auch die Bewegung des Darms bei der Nahrungsaufnahme. Diese Prozesse verbrauchen viel Energie, ohne dass man selbst etwas dafür tun müsste. Auch wenn man den ganzen Tag lang still auf dem Bett läge, würde man bereits den größten Teil dessen, was man mit der täglichen Nahrung zu sich nimmt, verbrennen.
In Zeiten, in denen der Hypothalamus Nahrungsknappheit vermutet, wird er das Niveau des Ruhestoffwechsels deutlich herunterfahren. Er wird dann beispielweise die Herzfrequenz und den Blutdruck senken. Außerdem wird er unser Verhalten und Gefühl dazu stimulieren, mehr Nahrung aufzunehmen. Eines dieser Gefühle ist das Hungergefühl, es wird erheblich gesteigert werden.
Der Hypothalamus erfüllt also entscheidende Aufgaben für deine Lebenserhaltung, er kann dir mit den allerbesten Absichten jedoch auch Steine in den Weg legen, sobald du den Vorsatz fasst abzunehmen. Während seine Funktion einerseits deinem eigenen Interesse (nämlich zu überleben) dient, kann sie andererseits für ein anderes Ziel (nämlich dauerhaft Gewicht zu verlieren) ein Hindernis sein. Die Medaille hat also zwei Seiten.
Dem Hypothalamus fällt es offenbar schwer, zwischen freiwilligem Gewichtsverlust und einem Nahrungsmangel zu unterscheiden. Während du glaubst, dir etwas Gutes zu tun, wenn du kurz vor der Strandsaison auf die Schnelle acht Kilo abnimmst (was schließlich der Sinn einer Crashdiät ist), interpretiert der Hypothalamus die plötzliche Reduzierung des Nahrungsangebots als Mangel, als eine Hungersnot, vielleicht sogar als Eiszeit. Wenn der Sommer vorbei ist, kann es gut sein, dass die Konzentration auf die Gewichtsreduzierung und das Halten des Gewichts ein wenig nachzulassen beginnt. Dein Hypothalamus lässt jedoch nicht nach und wird nun erst recht aktiv werden. Er wird versuchen, die Auswirkungen dieser Katastrophe wieder auszugleichen. Er wird seinen Einfluss auf die „Jagd“ nach Nahrungsmitteln geltend machen. Entgegen deinen eigentlichen Wünschen werden dein Gehirn und dein Körper dann auf Nahrungsaufnahme hin ausgerichtet.
Ja, schlimmer noch: Damit der Körper auf eine solch fürchterlichen Hunger- und Mangelphase fortan noch besser vorbereitet ist, wird der Hypothalamus nicht nur alles daransetzen, dein altes Gewicht wiederherzustellen, sondern es sicherheitshalber noch um einige Kilos erhöhen. Und schon haben wir ihn: den wohlbekannten Jo-Jo-Effekt.
Warum es so wichtig ist, langsam Gewicht zu verlieren
Jetzt, wo du verstehst, wie schlecht dein Körper mit starken Veränderungen umgehen kann, wirst du auch einsehen, dass sich der Hypothalamus gegen schnelle Veränderungen wehrt.
Um den Hypothalamus begrifflich oder visuell fassbar zu machen, haben wir ein Bild für ihn gewählt: den Hamster. So ein gemütliches Nagetier, mit dicken Wangen und einem großen Wintervorrat. Stell dir nun einmal vor, du würdest ihm heimlich ein Körnchen davon wegnehmen. Der Hamster würde es nicht bemerken und wäre immer noch glücklich und zufrieden. Aber mal angenommen, du würdest den Berg dann mit großen Schaufeln immer kleiner machen. Dann würde sich das gut gelaunte Tierchen schnell in ein rachsüchtiges Biest verwandeln.
So lassen sich auch einige Funktionen des Hypothalamus verstehen: als ein Hamster mit einem großen Wintervorrat. Bei übergewichtigen Menschen besteht dieser Wintervorrat aus zusätzlichen Kilos. Und der Hypothalamus mag es nicht, wenn dieser Vorrat schrumpft. Im Gegenteil, der Vorrat soll nach Möglichkeit immer ein bisschen wachsen.
Kernpunkte dieses Teils:
- Der Hypothalamus spielt eine wichtige Rolle dabei, wie unser Körper mit Essen und Ernährung umgeht.
- Der Hypothalamus ist nicht krank, sondern tut, wozu er bestimmt ist.
- Nehmen Sie nicht zu schnell ab, denn wütende Hamster kommen immer zurück!